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Rechtlicher Rahmen für die BihG

Hammer

BihG ist neben ambulanter und stationärer Pflege zur unverzichtbaren dritten Säule der Versorgung bei Alter und Krankheit in Deutschland geworden. In 250–300.000 Haushalten versorgen Betreuungspersonen v.a. aus Osteuropa pflege- und betreuungsbedürftige Menschen. Um Schwarzarbeit von legalen Modellen zu unterscheiden, hat der VHBP e.V. (Verband für häsuliche Betreuung) nachfolgend die wichtigsten Voraussetzungen zusammengestellt–aus der Perspektive von Interessenten und Kunden, also derRechtsordnung in Deutschland. In der Praxis haben sich mehrere Modelle etabliert. Grundsätzlich geht es dabei nicht um einen vermeintlichen Unterschied zwischen solchen Betreuungspersonen, die aus Osteuropa entsandt werden und solchen, die als freie Gewerbetreibende tätig sind. Stattdessen geht es um die unterschiedlichen Bedingungen für Betreuungspersonen, die als Arbeitnehmer arbeiten und solche, die als freie Mitarbeiter tätig sind. In beiden Fällen können sie ggf. aus Osteuropa entsandt sein. Diese Übersicht bedeutet keine Rechtsberatung - weder der VHBP, noch Vis-à-Vis24 GmbH & Co. KG übernehmen Haftung für den Inhalt.

Entsendung freier Mitarbeiter als Auftragnehmer aus dem Ausland

Ein Auftragsvertrag liegt vor, wenn ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen mit einer Person abgeschlossen wird, die zwar keine eingetragene Geschäftstätigkeit/Gewerbe betreibt, aber dennoch als freier Mitarbeiter tätig ist. Es handelt sich umeine Form der Selbständigkeit mit der Besonderheit, dass Sozialversicherungsbeiträge und Steuern vom Auftraggeber abgeführt werden. Auch das deutsche Recht kennt Auftragsverhältnisse in der Form der sog. arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit gem. § 2 SGB VI. Voraussetzungen für ein Auftragsverhältnis sind die u.g. Kriterien der Selbständigkeit (vgl. Modell B).Für die Feststellung, ob es sich nach deutschem Recht um ein Auftrags-oder Arbeitsverhältnis handelt, ist die bloße Bezeichnung des nach deutschemoder ausländischem Recht abgeschlossenen Vertrags nicht relevant. Es besteht also das Risiko, daßein z.B. nach polnischem Recht freier Mitarbeiter im Sinne des deutschen Rechts als abhängiger Arbeitnehmer gilt. Entscheidend ist, wie der Vertrag tatsächlich gelebt wird.

Entsendung

In vielen Fällen wird eine beauftragte Betreuungsperson durch einen ausländischen Auftraggeber nach Deutschland entsandt. Sinn der Entsendung ist es, dass die beauftragte Person weiterhin dem Sozial-versicherungsrecht des Entsendelandes unterliegt. Das ist in zwei Varianten möglich:

Entsendung nach Art. 12 VO 883/04

  • Die Betreuungsperson wird mit der vorübergehenden Arbeit auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats beauftragt unter folgenden Voraussetzungen:

  • Der Entsender „verrichtet gewöhnlich eine nennenswerte Tätigkeit im Heimatland“, was interpretiert wird als nicht weniger als 25% des Umsatzes in den letzten 12 Monaten.

  • Die voraussichtliche oder tatsächliche Dauer der Entsendung von einem Entsender zu einem Kunden beträgt max. 24 Monate.

  • Die gesamte Entsendezeit aller Betreuungspersonen, die zur Erbringung der gleichen Tätigkeit durch ein Unternehmen entsandt wurden, überschreitet 24 Monate nicht (voraussichtlicher Inhalt der künftigen EU-Verordnung).

  • Die Betreuungsperson muss vor Beginn der Tätigkeitmindestens einen Monat den Rechtsvorschriften des Entsendestaates unterliegen.

 

Entsendung nach Art. 13 VO 883/04

Die Betreuungsperson übt ihre Tätigkeit gewöhnlich in mindestens zwei EU-Mitgliedsstaaten aus unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die Betreuungsperson übt mindestens 5% ihrer Tätigkeit im Heimatland (in der Praxis meistens nicht weniger als 5 Tage im Quartal) aus.

  • Die Arbeit muss i.d.R. in mindestens 2 EU-Mitgliedsstaaten (sequenziell) geleistet werden. In der Praxis bedeutet das, dass die Betreuungsperson während der Vertragsdauer zumindest zweimal nach Deutschland fahren soll und in der übrigen Zeit in einem anderen EU-Mitgliedsstaat arbeitet.

  • Die Tätigkeit in mindestens zwei EU-Mitgliedsstaaten muß durch den Auftraggeber oder die Betreuungsperson dokumentiert werden.2.2Besonderheiten des polnischen Rechts für freie Mitarbeiter

  • Der Auftraggeber hat grundsätzlich für seine Betreuungspersonen Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuern abzuführen.

  • In jedem Fall müssen die Sozialversicherungsbeiträge ausgehend mindestens vom polnischen monatlichen Mindestlohn abgeführt werden.

  • Auf Antrag der Betreuungsperson muss der Auftraggeber die Sozialversicherungsbeiträge von dem vollen Gehalt bezahlen.

  • Die teilweise Vergütung vonBetreuungspersonen durch Steuer-und Sozialabgaben-freie Erstattungen von Reisekosten ist lt. Rechtsprechung unzulässig.

  • Der Mindeststundensatz für Auftragnehmer und Selbständige, die ihre Geschäftstätigkeit persönlich betreiben, beträgt (2019) 14,70PLN und wird jedes Jahr aktualisiert.

 

Bescheinigung A1

Zur Bestätigung, dass ein freier oder angestellter Mitarbeiter dem Sozialversicherungssystem des Entsendestaates unterliegt, wird durchdessen Sozialversicherungsanstalt eine A1-Bescheinigung ausgestellt. Sie ist für Behörden und Gerichte des Landes, in dasdie Betreuungsperson entsandt wird, bindend, sofern sie nicht durch die ausstellende Behörde widerrufen wird. Die Ausstellung einer A1-Bescheinigung ist zwar nicht für jede entsandte Person zwingend erforderlich. Aber weil diesesin der EU anerkannte Dokument die Abführung vonSozialversicherungsbeiträgenbestätigt, wird es durch den VHBP als Voraussetzung für Rechtskonformität angesehen.

Beauftragung selbständiger BetreuungspersonenEU-Dienstleistungsfreiheit bedeutet, dass auch ausländische Betreuungspersonen in Deutschland als selbstständige Unternehmerarbeitenkönnen, wenn v.a.folgende 4 Merkmale erfüllt sind:

  • Unternehmerische Entscheidungsfreiheit und unternehmerisches Risiko

  • Auftreten als Selbstständiger

  • Keine persönliche Abhängigkeit vom Auftraggeber und keine Weisungsgebundenheit

  • Keine Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber

Ob Selbständigkeit vorliegt, hängt von einerAbwägungder Gesamtsituation ab. Hierzu werden die o.g. 4 Merkmale der Selbständigkeit bewertet. Werden diese Merkmale nicht überwiegend erfüllt, so kann eine Scheinselbständigkeit vorliegen, mit der Folge, daß der faktische Arbeitgeber Sozialabgaben und Steuern nachzuzahlen hat und sich ggf. strafbar macht. Eine Gewerbeanmeldung mit Steuernummer in oder außerhalb Deutschlands reicht jedenfalls nicht aus.

Es gelten im einzelnenfolgende Kriterien:

  • Die Betreuungsperson verfügt über unternehmerische Entscheidungsfreiheit z. B. bei der Preisverhandlung, dem Einsatz von Kapital, eigenverantwortliche Annahme oder Ablehnung eines Auftrags, Einsatz von Personal (bspw. Erfüllungsgehilfe), Kundenakquise, Werbemaßnahmen.

  • Es besteht kein Weisungsrecht des Auftraggebers oder des vermittelnden Unternehmens

  • Die Betreuungsperson ist nicht in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden–sie kann bezüglichInhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit frei entscheiden.Der Auftraggeber kann allenfalls Wünsche äußern.

  • Die Arbeit der Betreuungsperson wird nicht durch Dienst-oder Freizeitpläne geregelt.

  • Die Betreuungspersonträgtdasunternehmerische Risiko z. B. durch Reisekosten, Ausbildungskosten, Zahlungsausfall oder schlechte Auftragslage.

  • Die Betreuungsperson tritt als Unternehmer auf (z. B. eigene Rechnung, Büroraum, Briefpapier).

  • Die Betreuungsperson übt die Tätigkeit nicht auf Dauer aus, z. B. indem Einsätze für 2-3 Monate erfolgen und die Betreuungsperson im Jahr mehrere hilfsbedürftige Personen betreut.

  • Die Betreuungsperson übt die Tätigkeit im Wesentlichen nicht nur für einen Auftraggeber aus. D.h., dasshöchstens 5/6des Umsatzes auf eineneinzigen Auftraggeber entfallen. Es genügt nicht, weitere Auftragsverhältnisse als zulässig nur zu vereinbaren.Sie müssen tatsächlich bestehen.

  • Freie Mitarbeiter benötigen als selbständige Unternehmer gerade nicht den Schutz des Arbeitsrechts mit allen seinen Einschränkungen. So daß z.B. das deutsche Mindestlohngesetz (wohl aber in Polen der dortige Mindestlohn)für sie nicht gilt –sie vereinbaren i.d.R.Honorare, die ohnehin über den Brutto-Mindestlöhnen liegen. Auch haben Selbständige die Wahl, wie sie sich sozialversichern, sofern sie nicht als arbeitnehmerähnliche Selbständige gelten, s.o. unter

Unabhängig von den o.g. Kriterien sind bei im Ausland angemeldeten Gewerbetreibenden ggf. landesspezifische Vorgaben zusätzlich zu berücksichtigen.

Anstellung von Betreuungspersonen als Arbeitnehmer

Soll BihG mit Hilfe abhängig Beschäftigter umgesetzt werden, sind nachstehende Voraussetzungen des deutschen Arbeitsrechts zu beachten. Dies gilt fürArbeitgebermit Sitz im In-oder Ausland.

 

Stückelung von Arbeits-, Bereitschafts-und Ruhezeit

Im Rahmen von BihG lebt und arbeitet die Betreuungsperson im Haushalt der hilfsbedürftigen Person.

Sie erfüllt ihre Tätigkeiten in Abstimmung mit dem Bedarf der hilfsbedürftigen Person. Hieraus ergibt sich i.d.R., dass die Arbeitszeit nicht an einem Stück (z.B. 9-17 Uhr) absolviert wird, sondern sich der Tag (und häufig auch die Nacht) in Form eines stark in Arbeits-, Bereitschafts-und Ruhezeit zerstückelten Tagesablaufes darstellen (vgl. Petermann et al.2017, S.9ff.). Diese tägliche Stückelung ist durch das Arbeitszeitgesetz grundsätzlich untersagt, sofern nicht eine Ausnahmeregelung i.S. des §18 ArbZG vorliegt. Das Bundessozialgericht geht zwar davon aus, dass Betreuungspersonen, die BihG erbringen, unter die Ausnahmeregelung nach §18 Abs.1 Nr. 3 ArbZG fallen (BSG,Urteil vom 28.9.2011, B 12 R 17/09 R). Sie findetaber ihre Grenze im Verbot der Sittenwidrigkeit: Jedenfalls eine 24-stündige Bereitschafts-und Arbeitszeit an 7 Tagen in der Woche ist unzulässig. Wo genau die Grenze der Sittenwidrigkeit liegt und welche Ruhezeiten mindestens zu gewährleisten sind, ist bislang ungeklärt.

 

Erfassung und Vergütung von Arbeits-und Bereitschaftszeit

Grundsätzlich hat ein Arbeitgeber Bereitschaftszeit wie Arbeitszeit mindestens mit dem allgemeinen Mindestlohn zu vergüten (EuGH, Urteil vom 21.2.2018, C-518/15). Ähnlich wie bei den SOS-Kinderdörfern ist auch bei BihG eine klare Abgrenzung von Arbeits-, Bereitschafts-und Freizeit mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Kann eine Betreuungsperson außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit den Haushalt nach eigenem Willen nicht verlassen, ist von einer ständigen Präsenzpflicht und somit entgeltpflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen. Wofür entsprechende Ruhezeiten zu gewähren sind. Ist der Haushalt direkt der Arbeitgeber der Betreuungsperson, hat er unabhängig von den o.g. Voraussetzungen in Zeiten von –bei Arbeitnehmern vergütungspflichtigem –Urlaub oder Krankheit der Betreuungsperson (im Durchschnitt 8-10 Wochen/Jahr) einen entsprechenden Ersatz zu organisieren und finanzieren.5.UmgehungsversucheIn der Praxis sind Umgehungsversuche bekannt, um Steuern, Sozialabgabenoder arbeitsrechtliche Vorgaben zu vermeiden.

 

Der VHBP hält die folgenden Versuche für nicht rechtskonform

Arbeitsvertrag mit geringer Stundenzahl

a) Die Arbeit der Betreuungsperson wird auf zwei Verträge aufgeteilt:

1) Anstellungsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitgeber im Ausland über z.B. 10 Stunden/Wochemit entsprechendem Gehalt für hauswirtschaftliche und grundpflegerische Arbeiten und

2) Vertrag mit einem gemeinnützigen Auftraggeber im Ausland über z.B. 30 Stunden/Woche, ggf. mit (Steuer-und Sozialabgaben-freiem) Aufwendungsersatz für betreuerische Leistungen.

Die Betreuungsperson wird direkt durch einen Pflege-und Betreuungsbedürftigen, einen ambulanten Pflegedienst oder durch einen ausländischen Arbeitgeber angestellt auf Grundlage eines Arbeitsvertrages mit nur sehr geringer Stundenzahl. Um den Mindestlohn für die gesamte geleistete Arbeitzu vermeiden, z.B. auf Minijob-Basis. Die übrige erbrachte Tätigkeit wird bar bezahlt.

 

Spesenerstattung statt Lohn

Die Betreuungsperson erhält nicht den vollen Mindestlohn, sondern wird teilweise mit Spesenerstattungen vergütet, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen. Zulässig sindhingegen steuer-und sozialabgabenfreie Tagespauschalen, soweit sie der Betreuungspersonfreizur Verfügung stehen und nicht als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten wie z. B. Reise-, Unterbringungs-und Verpflegungskosten gezahlt werden (Richtlinie 96/71/EG, Artikel 3Abs. 7, S. 2)

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